Overprocessing ist eine häufige Verschwendung in der Fertigung

von Thomas Hueber

am 10. September 2021

Overprocessing ist eine der bekannten 8 Verschwendungen. Overprocessing (Überbearbeitung) gleicht häufig Ineffizienzen in der Fertigung aus.

Würden Sie Eintrittskarten an der Kino- oder Abendkassen in Umschläge stecken, bevor Sie sie den Kunden übergeben, sodass diese sie anschließend aus dem Umschlag nehmen müssen, um sie entwerten zu lassen?

Eines der besten Beispiele für Overprocessing in den meisten Fertigungsunternehmen ist der nicht verkettete Fertigungsschritt. Jeder Materialfluss muss aufwändig umgeleitet werden, erfordert eine besondere Aufmerksamkeit. Dies führt zu Problemen wie Terminkomplikationen, Materialstau, aufwändiger manueller Beladung, Vollzeitbetreuung durch Bediener, Verzögerungen etc.

Wir haben in Produktions- und Technologieunternehmen viele Beispiele gesehen, in denen Verbesserungsteams versuchten mittels Six-Sigma und Laptop Einsparpotential zu ermitteln. Es wäre jedoch hinsichtlich der Verschwendung (Overprocessing) viel effektiver, Zeit auf dem Shop Floor zu verbringen und genau zu beobachten, wo ein Mehraufwand betrieben wird, ohne einen Mehrwert für den Kunden zu erreichen.

Wo in Ihren Fertigungsprozessen setzen Sie zu viele und unnötige Fertigungsschritte ein, die der Kunde nicht nur nicht will, sondern auch lieber gar nicht bezahlen würde?

Welche andere Art von Overprocessing gibt es?

Einige gängige Beispiele für Overprocessing im Industriealltag sind :

  • Mehrfaches Ein- und Auspacken von Materialien zwischen den einzelnen Produktionsschritten, z.B. in Gitterboxen, für den internen Transport
  • Redundante Dokumentation oder auch mehrfache Dateneingabe
  • Mehrfachzählung zwischen den einzelnen Produktionsstufen
  • Den vollen Prüfumfang in starren kurzen Zeitintervallen, anstatt nach individuellen Intervallen bzw. Ereignissen, wie zum Beispiel nach dem Rüsten, nach weiteren 15 Minuten und später nur noch einmal pro Schicht
  • Mehrfache Autorisierungen, was zu einer erhöhten Durchlaufzeit führt
  • Anziehen von Schrauben in einer Station und Lösen derselben in den nachfolgenden Stationen aufgrund anderer Aktivitäten
  • Das Produkt für interne Zwecke nummerieren und diese Nummerierung dann vor der Auslieferung entfernen
  • Lackieren in Bereichen, die niemals sichtbar oder von Korrosion betroffen sind
  • Überbearbeitung, z.B. zu enge Toleranzen, d.h. Bauteile mit höherer Präzision als gefordert
  • Zu enge Toleranzen, d.h. Lieferung von Bauteilen mit höherer Präzision als nötig
  • Schlecht kommunizierte Kundenspezifikationen, die Zweifel an den genauen Anforderungen aufkommen lassen
  • Nacharbeit um Produktspezifikationen oder Qualitätsanforderungen zu erreichen
  • Schlecht geplante Fabriklayouts, die zusätzliche Wege im Wertstrom und Fertigungsablauf verursachen
  • Verwenden von mehr Komponenten und Material als laut Produktspezifikationen notwendig
  • Verwendung von Materialien, deren techn. Eigenschaften wie Festigkeit, Härte, Reinheit etc. unnötigerweise höhere Anforderungen erfüllen, als gefordert
  • Ausführlichere Qualitätsberichte als nötig erstellen, damit diese eine Vielzahl an Benutzern zufriedenstellt

Übrigens: wie bei allen anderen Verschwendungsarten auch, kann Overprocessing sowohl in den indirekten Bereichen und Büros als auch in Produktionsbereichen anfallen.

Verschwendungen sind generell unnötige Anstrengungen und Aktivitäten, die in Produktionsunternehmen meist nicht wirklich wahrgenommen werden.

Sicherzustellen, dass die Mitarbeiter ein Overprozessing erkennen und verstehen, ist eins der wichtigsten „Dinge“, die Führungskräfte in Produktions- und Technologieunternehmen einführen sollten, um Effizienzprobleme zu bekämpfen. Es ist jedoch wichtig, dass Führungskräfte erkennen, dass die Optimierung von Prozessen generell schwierig ist.

Es braucht eine Kombination aus sehr gutem Produktionsverständnis, um die wesentlichen Verschwendungen zu identifizieren und abzustellen. Zusätzlich eine unerschütterliche Entschlossenheit, die bedeutet, dass die Verbesserungsarbeit nicht beendet wird, sobald die erste größere Maßnahme umgesetzt ist.

Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.

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Über den Autor

Dipl.-Ing. Thomas Hueber
Gründer und Managing Partner von HME

Thomas Hueber ist Dipl.-Ing. Maschinenbau / Verfahrenstechnik.

Dipl.-Ing. Thomas Hueber berät und unterstützt seit über 30 Jahren das Executive & Senior Management von Produktions- und Technologieunternehmen.
Seit Gründung in 2015 konzentriert sich Thomas Hueber mit seinem Team auf die Produktionsoptimierung und Effizienzsteigerung im Engineering in KMUs sowie in BUs internationaler Industrieunternehmen.

Nach dem Studium war Thomas Hueber zunächst für den Stahl- und Anlagebaukonzern Preussag als Senior Project Engineer international tätig. Anschließend mehrere Jahre in mittelständischen Fertigungsunternehmen und Automobilzulieferern der metallverarbeitenden Großserienfertigung als Senior Manager/Bereichsleiter für Industrial Engineering. Später CTO, COO, GM, VP und Werkleiter in der Fertigung – meist parallel verantwortlich für Engineering, Entwicklung und Projektmanagement – von Produktions- und Technologieunternehmen in den Branchen Maschinenbau, Anlagenbau, Sondermaschinenbau und High Tech (Elektronik, Sensorik, Optik, Laser, Nanotechnologie).

In den Leistungsfeldern Einführung von Lean Manufacturing und Operational Excellence sowie im Projekt TurnAround (Projekt-Rettung) verfügt Thomas Hueber über besondere Erfahrungen. Darüber hinaus ist Thomas Hueber regelmäßig als C-Level Interim Manager in Produktions- und Technologieunternehmen erfolgreich unterwegs.

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